Mid-December - Christmas 2024

Berlin, Mitte Dezember – Weihnachten 2024 

English please see below. 

 

Bald ist Weihnachten, das Jahr zu Ende, ein schreckliches Jahr. Ich weiss gar nicht, wie ein Jahresbericht bei mir aussehen soll: Morgens wie gelähmt aufwachen, versuchen auf die Couch zu kommen. Abends von der Couch wieder ins Bett, mit 134 Symptomen. Und es werden eher mehr als weniger. Wenn ich meinen Zustand jetzt, mit dem von vor einem Jahr vergleiche, muss ich ganz klar sagen, ich baue weiter schleichend ab. Es gibt da auch nichts zu beschönigen.  

 

Das Jahr geht zu Ende mit einem schweren Verlust: Judith’s Tod durch Sterbehilfe. Ich habe Judith via Text und Sprachnachrichten kennengelernt, wie wir uns alle ja so kennenlernen, die schwer krank sind, und als ich sie damals fragte, ob sie Lust hätte, mit in unserem Film „Chronisch Krank - Chronisch Ignoriert“ teilzunehmen, war sie sofort dabei. Matthias, ihr Freund und Lebensgefährte, der ihr Dasein im Liegen ohnehin dokumentierte, filmte für uns, ich schickte den beiden Fragen, Matthias filmte Judiths Antworten. Matthias hat uns auch Bilder der Ausstellung zur Verfügung gestellt für den Film, ihrer beiden Ausstellung „CRASH“. (Black Ferck Studio) Judith war einer der positivsten und kreativsten Menschen, die ich unter diesen furchtbaren Bedingungen kennengelernt habe. 

 

Dass Judith die Ausstrahlung des Filmes nicht mehr miterleben kann, der seit Monaten bei ARTE fertig rumliegt, macht mich ebenfalls traurig. Sie hätte zwar 90 Minuten wahrscheinlich auch nicht mehr schauen können, zu schlecht ging es ihr, mit ihrer, wie sie selbst schrieb, „heimtückischen Kombination an verschiedenen Krankheiten“. Formulierung, die ich sehr passend finde. Doch hätte ich ihr und uns gewünscht, dass sie zu Lebzeiten in diesem Film sichtbar geworden wäre. 

 

Heimtückisch, ist das richtige Wort für diesen Zustand und der fatalen Verkettung der Erkrankungen, für mich persönlich auch. Ich habe aufgegeben an Besserung zu glauben. Es ist einfach zu komplex, auch in meinem Fall, mit der Cranio Cervikalen Instabilität, dem Medikamentenschaden u.a. durch Fluorchinolone und Metronidazole, den ganzen reaktivierten Pathogenen, der Malaria in der Vorgeschichte. usw. Und das geht ja weit über #MEcfs hinaus, mit schwerem #MCAS, #POTS und allen Symptomen, die eine #SmallFiber Neuropathie bereit hält. 

 

Die Arbeit an der Dokumentation, die die erste Jahreshälfte noch in Anspruch genommen hatte, unter diesen Bedingungen war auch hart für mich. Nicht immer einfach, mit lauter Gesunden zu sprechen und das mit aller letzter Kraft. Eigentlich bin ziemlich entsetzt, dass unser Film bis jetzt noch nicht gesendet wurde. Die Realität überholt ja den Film, wöchentlich quasi. 

 

Möchte, aber auf diesem Wege, zum Jahresende nochmals allen danken, die diesen Film möglich gemacht haben, der herzlichste Dank gilt allen Mitwirkenden, vor allem den Betroffenen sowie ihren Angehörigen. Und auch jenen, die uns ihre Fotos und Geschichten gemailt hatten. Ich danke Euch für Euer Vertrauen und ich schäme mich, dass der Film noch nicht gesendet wurde, aber ich kann nichts dafür. 

 

Judith hat eine unglaubliche Entscheidung treffen müssen. Und ich habe verdammt großen Respekt davor, wissentlich, dass ich selbst in einem Sterbehilfeverein bin. Jeden zweiten Tag denke ich, wofür dieses Elend eigentlich noch aushalten? Ich kann nicht mehr. Aber ich habe soviel Angst vor dem Tod, obwohl der Tod ja eigentlich auch Erlösung bedeutet. Dann denke ich wieder, das kann doch jetzt nicht alles gewesen sein. An Leben, was keines mehr ist, sondern eher lebendig begraben, in Isolationshaft, für immer. Es gibt nur dieses eine Leben. Nichts kann man rückgängig machen, zurückspulen wie im Film. Nichts. Ich weiß auch nicht wirklich, ob ich das Beste aus meinem Leben und dieser verheerenden gesundheitlichen Abwärtsspirale herausgeholt hab. Ich habe zu viel Wut im Bauch, sehr große Wut auf Falschbehandlungen, auf Ignoranz, auf ein nicht funktionierendes Gesundheitssystem, wo die einfachsten Dinge nicht funktionieren. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass so viele Menschen schwer krank zuhause so extrem unendlich viel leiden. Nie. Und darunter sehr viele junge Menschen. Und Kinder. Ich bin skeptisch, ob diese Situation je verstanden wird. Chronisch kranke Menschen werden einfach aufgegeben von der Gesellschaft, vom System, oft von ihren Familien und Freunden. Aufgegeben und vergessen und ignoriert. 

 

Ich wünsche allen, von Herzen das Beste, was auch immer das Beste sein kann, in dieser verheerenden Situation. Love and peace, Sibylle 

 

Berlin, mid-December - Christmas 2024 

Christmas is coming soon, the year is coming to an end, a terrible year. I don't even know what an annual report should look like for me: Waking up paralyzed in the morning, trying to get onto the couch. In the evening, back to bed from the couch, with 134 symptoms. And there are more rather than fewer symptoms. If I compare my condition now with the condition of a year ago, I have to say quite clearly that I am continuing to deteriorate. 

 

The year ends with a heavy loss: Judith's death by euthanasia/assisted suicide. I got to know Judith via text and voice messages, as we all do when we are seriously ill, and when I asked her if she would like to take part in our film “Chronically Ill - Chronically Ignored”, she was immediately on board. Matthias, her friend and partner, who was already documenting her life lying down, filmed for us, I sent them both questions and Matthias filmed Judith's answers. Matthias also provided us with pictures of the exhibition for the film, the exhibition “CRASH” by BlackFerck Studio. Judith was one of the most positive and creative people I met under these terrible conditions. 

 

I'm also sad that Judith won't be able to watch the broadcast of the film, which has been lying around on ARTE archives for months now. She probably wouldn't have been able to watch 90 minutes either, she was too unwell, as she herself wrote with her, “insidious combination of various illnesses”. A phrase that I find very fitting. But I would have liked her and us to have seen her in this movie during her lifetime. 

 

Insidious is the right word for this condition and the fatal chain of illnesses, for me personally too. I have given up believing that things will get better. It's just too complex, even in my case, with the cranio-cervical instability, the damage caused by medication such as fluoroquinolones and metronidazoles, all the reactivated pathogens, the history of malaria, etc. And this goes far beyond #MEcfs, with severe #MCAS, #POTS and all the symptoms of #SmallFiber Neuropathy. 

 

Working on the TV-documentary, which took up the first half of the year, under these conditions was also hard for me. It's not always easy to talk to healthy people, especially when you do not have any energy. I'm actually quite shocked that our movie hasn't been broadcast yet. Reality overtakes the movie, almost on a weekly basis. 

 

At the end of the year, I would like to take this opportunity to thank everyone who made this film possible, especially those affected and their families. And also to those who emailed us their photos and stories. Thank you for your trust and I am ashamed that the film has not yet been broadcast, but not my fault.

 

Judith had to make an incredible decision. And I have a hell of a lot of respect for it, knowing that I'm in an euthanasia/assisted suicide organization myself. Every other day I think, why am I still enduring this misery? I can't do it anymore. But I'm so afraid of death, even though death actually also means redemption. Then I think again, that can't be possible any longer. Life that is no longer life, but rather buried alive, in solitary confinement, forever. There is only this one life. Nothing can be undone, rewound like in a movie. Nothing. I also don't really know if I've made the best out of it, of my life and this devastating downward spiral of health. I have too much anger in my stomach, a lot of anger at mistreatment, at ignorance, at a dysfunctional healthcare system where the simplest things don't work.

 

I could never have imagined that so many seriously ill people would suffer so much endlessly at home. Never. And many of them young people. And children. I am skeptical this situation will ever be understood. Chronically sick people are simply abandoned by society, by the system, often by their families and friends. Abandoned and forgotten and ignored. 

 

I sincerely wish everyone the best, whatever the best may be, in this devastating situation. Love & peace, Sibylle