Weihnachten / Jahresende – ist einfach hart.
(English version, please see below)
2023 - Jahresende, Weihnachten – für viele ein Beisammensein mit Familie und Freunden. Für schwer Kranke nicht. Und vor allem nicht für solche, die im Gesundheitssystem durch alle Raster fallen. Und wenn man dann auf Twitter liest, dass schwerst Betroffene das Prozedere für Sterbehilfe nicht mehr schaffen, macht mich das einfach nur noch traurig. Zu krank um zu sterben, zu krank um behandelt zu werden. Zu krank um gesehen und bemerkt zu werden.
Sterbehilfe: Ein Prozedere, das ich vorsorglich für mich dieses Jahr hinter mich gebracht und geregelt habe. Für den Fall aller Fälle. Ich bin völlig ratlos. Und völlig aus den Fugen, was Gesellschaft oder gesellschaftliche Verantwortung in diesem Kontext überhaupt noch bedeutet? Was ist das nur für eine Gesellschaft, in der wir hausen?
Weihnachten und Jahresende empfinde ich immer als besonders hart. Wieder ein Jahr um. Nichts hat sich geändert. Immer mehr muss auch ich mich von meiner Autonomie und meinem früheren Ich verabschieden. Dieses Jahr war eindeutig das Schlimmste für mich. Es geht stetig bergab. Langsam aber sicher. Immer nur eine Richtung. Ich fühle mich ausgeliefert, mir selbst gegenüber.
Ich denke auch an die vielen Betroffenen, die dieses Jahr verstorben sind. Jeder Tod von einem ME-Betroffenen, ist einer zu viel und die Konsequenz jahrelanger Ignoranz und Vernachlässigung. Auch ein Scheitern des Gesundheitssystems, das diese Erkrankung samt ihren Auslösern und Komorbiditäten nie ernst genommen hat und bis heute nicht ernst nimmt.
Eine Small Fiber Neuropathie kann mindestens genauso verheerend sein, wie ME/CFS oder/und MCAS usw. und die schmerzhaften Elektroschock Symptome und Nervenschmerzen, die Muskelschwäche, das Ganzkörper - Brennen sowie der unter Feuer stehende Schädel, incl. Gehirn und Kopfhaut sind keine Seltenheit. Wenn man einmal anfängt darüber zu sprechen, dann finden sich immer wieder Betroffene, die Ähnliches berichten: u.a. das Gefühl bei lebendigem Leib zu verbrennen. Und keiner nimmt es ernst. Viele LongCovid Betroffene haben das, auch PostVac Betroffene sowie Fluorchinolon Geschädigte, auch Borreliose Erkrankte usw. Warum stellt man sich hier mal nicht die Forschungsfrage: Was ist da los?
Ich frage mich immer wieder, was wäre mit mir passiert, wenn man meine Symptome von Anfang ernst genommen hätte und ich auf wissende Ärzte gestoßen wäre? Manchmal kann ich die Wut von meiner Trauer gar nicht trennen, so sehr nimmt mich das mit. Leben ruiniert, die ganze Odyssee, die ganzen Falschdiagnosen und Fehlbehandlungen bis hin zum Pflegefall und in die Bettlägerigkeit. Dann alleine gelassen. Wie tausende und Millionen weltweit.
Wie eng Small Fiber MCAS (Mastzellaktivierungssyndrom) und/oder POTS (posturales orthostatisches Tachykardie Sydrome) und ja auch mit ME/CFS zusammenhängen können, sowie mit EDS, dem Ehlers Danlos Syndrom, ist immer noch nicht in der Aufklärung angekommen. Kein Mensch z.B kann mit einer Herzrate von 150 in aufrechter Position, denken, geschweige denn sprechen oder normal funktionieren (POTS). Das ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen, dass das nicht geht.
Mit Standard Diagnostik wird man hier nicht weiterkommen können. Ein Mensch mit multisystemischen Erkrankungen zu 100 Fachärzten zu schicken, - wie es unser System in Deutschland vorsieht - macht keinen Sinn, wenn der betreffende Arzt keine entsprechende Ausbildung hat und komplexe chronische Multi-System-Erkrankungen nicht erkennen kann und nicht versteht, was diese alles auslösen können im Körper. Abgesehen von der Tatsache, dass man ab einem gewissem Grad gar nicht mehr zu einem Arzt kommt. In dieser ganzen Debatte fehlt ohnehin die Hilfe für schwer Betroffene zuhause. Ein Skandal.
Wenn es wirkliche Aufklärung geben soll, dann muss ein Arzt außerdem auch zwischen infektiösen und nicht infektiösen Triggern unterscheiden können. Oder möglicherweise auch die Kombination von diesen erkennen können. Auch ein jahrelang zurückliegender Fluorchinolonschaden kann eine Rolle spielen, wie eine übersehene Borreliose oder/und eine EBV Infektion (und natürlich viel mehr). Ich weiss, das will quasi niemand hören. Auch MRT’s mit Gadolinium sind ganz besonders toll, für Menschen mit Mastzell-Aktivierungssyndrom oder/und SmallFiber. Will auch keiner hören.
Dass es unter ME/CFS Betroffenen sehr viele mit instabiler Halswirbelsäule (Cranio -Cervikale - Instabilität) gibt, wissen zwar die Betroffenen, aber immer noch nicht die Ärzte. Auch LongCovid kann das Bindegewebe schwächen. Was sind die Konsequenzen in 5 oder 10 Jahren? Heute alles noch nicht abzusehen. Aber wenn man 1 UND 1 zusammenrechnen kann, weiß man, dass es katastrophal werden wird, wenn nicht bald Therapien für Betroffene kommen, die wenigstens zu einer Zustandsverbesserung beitragen. Aber man schaut lieber weg. Ein Tsunami an schwerst Erkrankten, chronisch krank und ignoriert, möglicherweise für immer. Ich muss kein Sozialwissenschaftler oder Gesundheitsökonom sein, um zu verstehen, dass das nicht gut ausgehen kann.
Die medizinischen Erkenntnisse über LongCovid und ME/CFS sind erschreckend verheerend, - auch wenn Psychosomatiker das nicht gerne hören: Mitochondrienschaden, Microclots, Endothel-Schäden, chronische Entzündungen, auch im Gehirn, Bindegewebsstörungen, Hypoxia, Nervenschäden usw. Die Liste ist endlos. Noch erschreckender aber ist, dass ein Gesundheitssystem das alles nicht kapiert und Betroffene immer noch in Reha Einrichtungen schickt, und sie damit erpresst, Krankengeld würde nicht weiter bezahlt, wenn Reha Antritt nicht erfolgt usw. – und das alles während Betroffene keine 3 Schritte mehr laufen können. Wir diskutieren quasi im Kreis herum. Konsequenz: drastische Zustandsverschlechterung, weil Menschen mit diesen komplexen chronischen Erkrankungen auf zellulärer Ebene keine Energie mehr bereitstellen können. Und das geht dann auch in der Reha nicht und das kann man auch nicht antrainieren. Ich kann es immer noch nicht begreifen, dass Ärzte und Gutachter das einfach nicht verstehen wollen und dass das immer noch so weiter geht. Jahr 4 ist voll - LongCovid. Jahr 54 - ME Klassifikation der WHO.
Was mich am meisten geschockt hat dieser Tage: die Trennung in Pandemie und Pandemie unabhängig Erkrankte anlässlich der Diskussion für die sogenannten „Off Label Use“ Therapien. Das darf nicht wahr sein, dass jahrelang Erkrankte, ja gar jahrzehntelang Erkrankte wieder zurückgelassen werden und Off Label Use ausschliesslich für LongCovid zugelassen werden soll (wenn man es denn je überhaupt schafft, das auf den Weg zu bringen). Wie kann das sein? Wo ist hier die Moral? Wo die Ethik, wenn schon kein Wissen vorhanden ist?
Und was mich auch immer wieder völlig fertig macht, dass man ME/CFS mit „chronisch müde“ zusammenfasst, wie jüngst im Artikel des Spiegels (große deutsche Zeitung) und Journalisten ihre Hausaufgaben einfach nicht machen. Ganz simple:
ME = Myalgische Enzephalomyelitis
Myalgische = bezieht sich auf Muskel-Schmerzen
Enzephalo = bezieht sich auf das Gehirn
myel = bezieht sich aufs Rückenmark
itis = Entzündung (!!!)
wird einfach immer weggelassen. Chronisch Ignoriert, eben.
Ich danke euch für euren Austausch, auf den sozialen Medien (im wesentlichen Twitter). Ohne diesen Austausch wäre ich längst nicht mehr da. Eine Sache noch, die mich am Leben hält, ist der Film, die Dokumentation, ein wahnsinniges Unterfangen für alle Beteiligten. Aber dieses Jahr haben wir so viel geschafft. Und es war und ist ein verdammt harter Weg, hätte nie gedacht, vor einem Jahr, dass wir soweit kommen. Und es gibt noch so viel zu tun.
Ich sende allen Betroffenen meinen tiefsten Respekt, dass Ihr bis hierher durchgehalten habt - viele sind komplett alleine - und wünsche Euch, dass Ihr die nächsten Tage ohne weitere Verschlechterung übersteht. Denjenigen, die ihre Lieben verloren haben, sende ich ebenfalls meinen tiefsten Respekt, und natürlich auch denjenigen, die sich rund um die Uhr um ihre Angehörigen kümmern.
Es muss sich endlich was ändern.
Passt auf euch auf,
Sibylle
Christmas / end of the year - it's tough.
2023 - End of the year, Christmas - for many a get-together with family and friends. Not for the seriously ill. And especially not for those who fall through all nets of the healthcare system. And when you read on Twitter that people who are seriously ill can no longer manage the procedure for euthanasia, it just makes me sad. Too ill to die, too ill to be treated. Too ill to be seen and noticed.
Euthanasia/ assisted suicide: the bureaucratic procedure that I took the precaution of completing for myself this year. Just in case so that I will be prepared. I am completely at a loss. And completely at a loss as to what society or social responsibility even means in this context? What kind of society is this that we live in?
I always find Christmas and the end of the year particularly hard. Another year is over. Nothing has changed. More and more I have to say goodbye to my autonomy and my former self. This year was definitely the worst for me. Things are going steadily downhill. Slowly but surely. Always in one direction. I feel at the mercy of myself.
I also think of the many people affected who have died this year. Every death of a ME sufferer is one too many and the consequence of years of ignorance and neglect. It is also a failure of the healthcare system, which has never taken this disease, including its triggers and comorbidities, seriously and still does not.
Small Fiber neuropathy can be at least as devastating as ME/CFS or/and MCAS etc. and the painful electric shock symptoms and nerve pain, the muscle weakness, the whole body burning and the skull on fire, including the brain and scalp are not uncommon. Once you start talking about it, there are always people who report similar symptoms, including the feeling of burning alive. And nobody takes it seriously. Many LongCovid sufferers have this, so do PostVac sufferers and those affected by fluoroquinolones, Lyme disease sufferers, etc. Why don't we ask ourselves the research question: What's going on especially here?
I keep asking myself what would have happened to me if my symptoms had been taken seriously from the beginning and I had come across knowledgeable doctors? Sometimes I can't separate the anger from my grief, that's how I feel. My life was and is ruined, the whole odyssey, all the wrong diagnoses and wrong treatments, right up to becoming a nursing case and bedridden. Then left alone. Like thousands and millions worldwide.
How closely Small Fiber, MCAS and/or POTS and yes also with ME/CFS can be connected, as well as with EDS, the Ehlers Danlos syndrome, has still not arrived in the enlightenment. For example, no human being can think, let alone speak or function normally, with a heart rate of 150 in an upright position (POTS). It is actually not that difficult to understand that this is not possible.
Standard diagnostics will not get you anywhere here. Sending a person with multi-systemic illnesses to 100 specialists - as our system in Germany provides - makes no sense if the doctor in question has no appropriate training and cannot recognize complex chronic multi-system illnesses and does not understand what they can trigger in the body. Apart from the fact that, from a certain level, you can no longer see a doctor at all. In this whole debate, there is a lack of help for severely affected people at home anyway. A scandal.
If there should be real education and recognition, then a doctor must also be able to distinguish between infectious and non-infectious triggers. Or possibly also be able to recognize the combination of these. Fluoroquinolone damage from years ago can also play a role, as can an overlooked Lyme disease and/or EBV infection (and so much more, of course). I know, nobody wants to hear that. MRIs with gadolinium are also particularly great for people with mast cell activation syndrome and/or small fiber. Nobody wants to hear that either.
Many people with ME/CFS have an unstable cervical spine (cranio-cervical instability), but doctors are still unaware of this. LongCovid can also weaken the connective tissue. What will the consequences be in 5 or 10 years? Not yet foreseeable today. But if you can put 1 AND 1 together, you know that it will be catastrophic if there are no therapies for those affected soon that at least contribute to an improvement in their condition. But people prefer to look the other way. A tsunami of the most seriously ill, chronically ill and ignored, possibly forever. I don't have to be a social scientist or health economist to understand that this can't end well.
The medical findings about LongCovid and ME/CFS are terrifyingly devastating - even if psychosomatics don't like to hear it: mitochondrial damage, microclots, endothelial damage, chronic inflammation, including in the brain, connective tissue disorder, hypoxia, nerve damage etc. The list is endless. What is even more frightening, however, is that the healthcare system doesn't understand all this and continues to send those affected to rehab facilities, blackmailing them by telling them that sickness benefit will no longer be paid if they don't start rehab, etc. - and all this while those affected can no longer walk three steps. We're going round in circles, so to speak. Consequence: drastic deterioration in condition because people with these complex chronic illnesses can no longer provide energy at a cellular level. And that doesn't work in rehab either and you can't train it. I still can't understand why doctors and experts simply don't want to understand this and why it still goes on like this. Year 4 is full - LongCovid. Year 54 - ME classification of the WHO.
What has shocked me the most these days: the separation into pandemic and pandemic-independent (or pre-pandemic) patients during the discussion on so-called "off-label use" therapies In Germany. It cannot be true that people who have been ill for years, even decades, are being left behind again and off-label use is to be approved exclusively for LongCovid (if it ever gets off the ground). How can that be? Where is the morality here? Where are the ethics if there is no knowledge?
And what always gets me down is that ME/CFS is summarized as "chronically tired", as in the recent article in “Der Spiegel” (a major German newspaper), and journalists simply don't do their homework. Very simple:
ME = myalgic encephalomyelitis
Myalgic = refers to muscle pain
Encephalo = refers to the brain
myel = relating to the spinal cord
itis = inflammation (!!!)
is simply always omitted. Chronically ignored.
Thank you for your exchange on social media (mainly Twitter). Without it, I wouldn't be here anymore. One more thing that keeps me going is the movie, the documentary, an insane undertaking for everyone involved. But we have achieved so much this year. And it was and is a damn hard road, I never thought a year ago that we would get this far. But there is still a lot to do.
I send my deepest respect to all those affected that you hang on so far, - many are completely alone - and wish you all the best especially for the next few days without any further deterioration. I also send my deepest respect to those who have lost their loved ones and, of course, to those who are caring for their loved ones 24/7.
Something has to change, soon.
Take care of yourselves,
Sibylle